Hall of Fame der Familienunternehmen Die Erfolgsformel des dm-Gründers Götz Werner
![Der Gründer der Drogeriekette dm bezeichnet sich als Unternehmer „wider Willen“. Quelle: Dpa [M]](/images/goetz-werner/29039300/2-format2020.jpg)
Der Gründer der Drogeriekette dm bezeichnet sich als Unternehmer „wider Willen“.
Karlsruhe Die Nachfolge an der Spitze des Drogerieimperiums dm hat Gründer Götz Werner in der Sauna angebahnt. Als einziges seiner sieben Kinder teilte Sohn Christoph schon als Jugendlicher seine Leidenschaft für das Schwitzen. Dort konnte er sich mit ihm in aller Ruhe über Wirtschaftsthemen unterhalten – und ihm auch das Familienunternehmen näherbringen.
Heute leitet Christoph Werner das Unternehmen und entwickelt das Lebenswerk seines im vergangenen Jahr verstorbenen Vaters weiter. Doch sein Weg an die Spitze des Handelskonzerns war trotz der frühen Annäherung ans Unternehmen alles andere als vorgezeichnet.
Ein Grund dafür ist auch die wechselvolle Lebensgeschichte seines Vaters. Denn Götz Werner hatte eigentlich gar nicht geplant, sein eigenes Unternehmen zu gründen. Er schuf trotzdem eines der erfolgreichsten deutschen Handelsunternehmen – und revolutionierte damit die Drogeriebranche.
dm-Gründer bricht viele Regeln der Drogeriebranche
Nicht ohne Grund überschrieb Götz Werner seine Autobiografie mit dem Titel: „Womit ich nicht gerechnet hatte“. Rückblickend sieht der Aufbau von dm nach einer reinen Erfolgsbilanz aus: Mit 3945 Märkten in Europa macht das Unternehmen heute einen Umsatz von 13,6 Milliarden Euro und beschäftigt fast 72.000 Menschen. Doch der Weg dahin war auch geprägt von Hürden und Rückschlägen.
Knapp und prägnant zusammengefasst hat es Werner selbst in seiner Autobiografie: „In der Schule sitzengeblieben, nach elf Schuljahren abgegangen. Deutscher Jugendmeister im Rudern, Drogist gelernt, Prokurist geworden. Verstoßener Sohn. Realträumer. Gründer wider Willen.“

Götz Werner im Alter von sieben Monaten mit seiner Mutter.
Dabei hätte alles so einfach sein können. Er wurde am 5. Februar 1944 als Sohn eines Drogisten geboren und stieg nach seiner Ausbildung in den väterlichen Betrieb ein. Doch weil er verändern, der Vater davon aber nichts wissen wollte, gerieten die beiden in Streit. Götz Werner musste das Familienunternehmen verlassen.
Er wechselte in die „Drogerie Roth“ in Karlsruhe, wo sich die Geschichte wiederholte. Auch hier konnte er sich mit seinen neuen Ideen nicht durchsetzen. Ihm blieb damit nur ein Weg: selbst ein Unternehmen zu gründen.
Und damit brach er viele Regeln, die bis dahin in der Branche galten: Er übersetzte das Aldi-Prinzip in die Drogeriebranche, reduzierte das Sortiment auf rund 800 Artikel und führte die Selbstbedienung ein. Von vielen Konkurrenten wurde dieses Konzept zunächst belächelt.
Nach dem zweiten Laden wäre für dm fast Schluss gewesen
Nicht jedoch von Dirk Roßmann. Der Gründer des Handelsunternehmens Rossmann baute fast zeitgleich ebenfalls eine Kette von Drogeriegeschäften in Selbstbedienung auf. Die beiden Unternehmer waren nicht nur Rivalen – sie waren sich auch in gegenseitiger Hochachtung verbunden.
„Der Erfolg von dm war für mich immer Ansporn, selbst auch unbedingt erfolgreich zu sein“, sagte Dirk Roßmann dem Handelsblatt. Und er bekannte, von Götz Werner viel mehr gelernt zu haben als umgekehrt.
Kennengelernt hatten sich die Männer bereits 1972, noch vor der Gründung von dm. Götz Werner kam nach Hannover, um den neuen Markt von Dirk Roßmann in Augenschein zu nehmen. „Ich erlebte einen jungen Mann voller Energie, Kraft und Lebensfreude, dessen Motto ,Auf zu neuen Ufern‘ in jedem Augenblick spürbar war“, erinnerte sich Roßmann.

Götz Werner eröffnete den ersten dm-Markt 1973 in der Herrenstraße in Karlsruhe.
Doch beinahe wäre schon nach dem zweiten Laden für dm Schluss gewesen. Werner fehlte das Geld für die weitere Expansion. Zu seinem Glück lernte er den Unternehmer Günther Lehmann kennen, Gesellschafter der badischen Supermarktkette Pfannkuch.
Lehmann investierte in den Lebenstraum von Werner – und bekam dafür 50 Prozent der Anteile an dm. Stets jedoch hielt er sich als stiller Gesellschafter im Hintergrund und hat seinen heute auf rund drei Milliarden Euro geschätzten Anteil mittlerweile auf seinen jetzt 20-jährigen Sohn Kevin David Lehmann übertragen.
Aldi war anfangs das Vorbild für den dm-Gründer
Auch wenn Lehmann durch die Pattsituation im Gesellschafterausschuss die Möglichkeit gehabt hätte, Entscheidungen zu blockieren, hielt er sich komplett aus dem operativen Geschäft heraus und überließ Werner die unternehmerische Führung. Und dieser nutzte seine Freiheiten für eine dynamische Expansion – und eine Weiterentwicklung der Geschäftsidee.

Götz Werner (rechts) hilft bei der Eröffnung eines dm-Marktes.
Auch Christoph Werner hat seinen Vater als einen Menschen erlebt, der stets nach Verbesserungen suchte. „Er hatte eine konstruktive Unzufriedenheit“, beschreibt er im Gespräch mit dem Handelsblatt.
„Mein Vater hatte eine außergewöhnliche Veränderungsbereitschaft, er hat es geschafft, das Unternehmen immer wieder in neue Phasen zu führen“, sagt er. „Denn jede Unternehmensstruktur passt immer nur für eine bestimmte Größe.“
Anfangs führte Götz Werner das Unternehmen nach dem Vorbild von Aldi sehr strikt, fast autoritär. Um das neue Geschäftsmodell durchzusetzen, machte er sehr klare Vorgaben. Wenn ein Filialleiter vor Ort sich nicht daran hielt, reagierte Werner auch schon mal hart.
Doch schon bald wurde ihm klar, dass das auf Dauer nicht der richtige Weg sein konnte. „Er hat immer mehr das Zutrauen zu seinen Mitarbeitern entwickelt“, erinnert sich sein Sohn. Er habe eine Struktur entwickelt, in der es möglich war, mehr und mehr Verantwortung an die Filialen abzugeben. „Anders wäre ein Unternehmen dieser Größe nicht langfristig erfolgreich zu führen“, betonte Christoph Werner.
Götz Werner kämpfte für das bedingungslose Grundeinkommen
Zugleich entwickelte er ein Führungskonzept auf Basis seiner anthroposophischen Lebenseinstellung. Sein Unternehmen bezeichnete er als „Arbeitsgemeinschaft“, er beteiligte die Mitarbeiter früh schon am Gewinn. Später machte er sich auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark. „Er hatte die Grundhaltung, dass der Mensch und seine freie Entscheidung im Mittelpunkt stehen“, sagt Christoph Werner.
Wegbegleiter erlebten das ähnlich. „Götz Werner waren die Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen stets besonders wichtig“, beschrieb es beispielsweise Erich Harsch, der viele Jahre die Handelskette dm zusammen mit dem Gründer geleitet hatte. Er sei ein „Unterstützer und Wegbereiter für viele immer wieder neue Ideen“ gewesen, sagte Harsch, der heute das Baumarktunternehmen Hornbach leitet.
Selbst sein Schwager Götz Rehn, der zeitweise heftig mit ihm in Auseinandersetzung geriet und vor Gericht mit ihm um die Markenrechte für die gemeinsam aufgebaute Marke Alnatura stritt, blickt mit großer Achtung auf das Lebenswerk des dm-Gründers. „Jeder, der Götz Werner einmal persönlich getroffen hat, konnte erleben, welche visionäre und dennoch bodenständige und nahbare Gründerpersönlichkeit er war“, sagte er nach dessen Tod im vergangenen Jahr.

Der dm-Gründer gab die Führung seines Unternehmens bereits im Jahr 2008 ab.
Die Entscheidungsfreiheit, die Götz Werner seinen Mitarbeitern zugestand, gewährte er auch seinem Sohn Christoph. Nie drängte er ihn, die Führung des Familienunternehmens zu übernehmen. Und das war letztlich das Erfolgsrezept für die gelungene Nachfolgeregelung.
„Es war ursprünglich nicht mein Ziel, bei dm einzusteigen“, erinnert sich Christoph Werner. Als er 1992 Abitur gemacht habe, sei das Unternehmen schon sehr groß gewesen. „Da hätte ich mir damals nicht zugetraut, bei dm was zu machen.“
Das Lebenswerk zeitig in jüngere Hände gelegt
Bestärkt von seinem Vater machte er seine Ausbildung deshalb nicht bei dm, sondern absolvierte ein duales Studium beim regionalen Händler Tegut. Dort habe er seine eigenen Erfahrungen sammeln können, erzählt Werner. Karriere machte er danach in der Konsumgüterindustrie, erst bei L’Oréal, dann bei Glaxo-Smithkline. Den Kontakt zu dm hielt er aber als Aufsichtsratsmitglied.
Die Chance, zu dm zu wechseln, ergab sich dann Ende 2010. Der Vater hatte die Leitung des Unternehmens schon zwei Jahre zuvor an Erich Harsch übergeben. Und der suchte einen neuen Geschäftsführer für Marketing und Einkauf.
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Harsch fragte Christoph Werner, ein Wechsel passte in dessen Lebensplanung, und so startete er mit 38 Jahren doch noch im Familienunternehmen. Als Harsch sich dann 2019 entschied, zu Hornbach zu wechseln, übernahm Werner die Leitung von dm.
Anders als sein Konkurrent Erwin Müller, der mit 90 Jahren noch seine Drogeriekette operativ führt, hatte Götz Werner keine Probleme damit, sein Lebenswerk zeitig in jüngere Hände zu legen. „Mein Vater hat mal gesagt, sein ganzes berufliches Leben war eine Abfolge von Abgeben“, sagt Christoph Werner.
Für ihn war es wohl hilfreich, dass er nie direkt mit seinem Vater zusammengearbeitet hat. Denn er muss neue Wege gehen, investiert in Digitalisierung und Nachhaltigkeit, hat einen Abholservice eingerichtet. „Ich konnte nicht wiederholen, was mein Vater gemacht hat“, sagt er. „Sie müssen das Unternehmen weiterentwickeln, indem Sie zeitgemäße Antworten finden.“
Doch er ist nicht der Typ, der alles auf den Kopf stellt. „Mein Vater hat mir geraten: Schau nicht immer nur auf die Dinge, die nicht gut laufen, schaue vor allem auch auf die Dinge, die gut laufen.“ Denn genau die erklärten, warum ein Unternehmen erfolgreich ist.
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