Premium Inflationsprämie Gehaltserhöhung wegen Inflation? Was Arbeitnehmer erwarten und Unternehmen bieten

Hohe Preise und Gehälter werden zur Belastung für Unternehmen. Mit Extrazahlungen reagierten bisher wenige Firmen. Nun können sie Mitarbeiter durch die Inflationsprämie entlasten.
Düsseldorf Die Preise steigen so schnell wie lange nicht mehr: Zuletzt kletterte die Inflation in der Euro-Zone auf ein Rekordhoch von 10,7 Prozent, für Deutschland errechneten die EU-Statistiker sogar einen Wert von 11,6 Prozent. Um die rasant gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise abzufedern, können Arbeitgeber ihren Beschäftigten ab sofort steuer- und abgabenfrei eine sogenannte Inflationsprämie von bis zu 3000 Euro zahlen.
Lohnerhöhungen oder Sonderzahlungen als Reaktion auf die Inflation sind aktuell noch die Ausnahme. Bisher hielten sich Unternehmen stark zurück, die gestiegenen Preise auszugleichen. Das bestätigt auch eine neue Umfrage der Unternehmensberatung Kienbaum, deren Ergebnisse dem Handelsblatt vorab vorliegen.
Die Befragung zeigt, wie häufig und welche Extrazahlungen Firmen aufgrund der anhaltend hohen Teuerung veranlasst haben, wer davon am meisten profitiert – und was Angestellte von ihren Arbeitgebern in Sachen Gehalt erwarten.
Hier sind die fünf wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie.
1. Jeder Vierte erhält jetzt wegen der Inflation mehr Geld
Befragt wurden 1000 Beschäftigte, vom Sachbearbeiter bis zum Topmanager. Nur neun Prozent der Beschäftigten gaben dabei an, dass die Fixgehälter im Jahresverlauf angehoben worden seien. Für jeden achten Beschäftigten gab es eine Sonderzahlung aufgrund der Inflation. Der Großteil der Befragten (76 Prozent) ging bislang jedoch leer aus.
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2. Gehaltserhöhung wegen Inflation? Angestellte haben geteilte Erwartungen
Mehr als die Hälfte der befragten Arbeitnehmer gaben dabei an, dass sie nicht davon ausgehen, dass ihr Chef oder ihre Chefin auf die momentane Inflation mit einer entsprechenden Gehaltserhöhung reagiert.
„Die Größe des Unternehmens, in dem die Beschäftigten arbeiten, scheint dabei keine Rolle zu spielen“, sagt Michael Kind, Vergütungsexperte bei Kienbaum. Dabei seien in vielen Konzernen Budgets für die derzeitige Situation vorgesehen.
3. Topmanagement profitiert stärker als der Rest
Besonders interessant ist der Blick auf Wunsch und Wirklichkeit bei der Gehaltsentwicklung der Beschäftigten. Dort schälen sich bei den Befragten, deren Löhne zum Jahresende steigen, zwei Erkenntnisse heraus.
Erstens: Sachbearbeiter und oberes Management wünschen sich die höchsten Gehaltsaufschläge. Aber: Vor allem das Topmanagement scheint diese Zuschläge auch zu bekommen – wenn auch in geringerem Ausmaß als gewünscht.
4. Fast zwei von drei Angestellten wollen eine Inflationsprämie
Mit Blick auf die sogenannte Inflationsprämie, die die Bundesregierung nun ermöglicht hat, gibt die Mehrheit der Befragten (58 Prozent) an, dass sie eine solche Zahlung von ihrem Arbeitgeber erwartet. Was die Grafik nicht zeigt: Auch hier ist der Wert fürs Topmanagement leicht erhöht.
5. Bescheidenheit bei der Höhe von Sonderzahlungen
Interessant ist außerdem, dass sich bei einer Sonderzahlung mehr als die Hälfte der befragten Beschäftigten mit weniger als dem Maximalbetrag von 3000 Euro zufrieden geben würde. „Arbeitnehmende aus größeren Unternehmen erwarten im Durchschnitt höhere Auszahlungen“, sagt Kienbaum-Experte Kind zur Einordnung.
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Hohe Inflation, sinkende Reallöhne – trotz hoher Tarifforderungen
Auch andere Studien zeigen, dass die Gehälter in Deutschland nicht im gleichen Maße steigen wie die Preise. So ergab eine Auswertung der Beratung Willis Towers Watson (WTW) bereits im August, dass die Gehälter in Unternehmen bis dato nur um durchschnittlich 3,5 Prozent angestiegen sind. WTW untersuchte die Vergütungsstrukturen von rund 700 deutschen Konzernen.
Wenn Verbraucherpreise und Gehälter sich gegenseitig hochschaukeln, sprechen Ökonomen von einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale. Diese sorgt unter anderem dafür, dass sich Güter „made in Germany“ verteuern. Die aktuelle Datenlage lässt jedoch nicht auf ein solches Szenario schließen. „Die Lohnentwicklung in diesem Jahr dürfte deutlich unter der Inflation liegen, sodass die Reallöhne sinken dürften“, erklärt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Dennoch setzten hohe Lohnforderungen Unternehmen in der aktuellen Situation „unter erheblichen Druck“, gibt Kienbaum-Experte Kind zu bedenken. Einige Entwicklungen wie der höhere Mindestlohn seien in diesem Jahr vorhersehbar gewesen. „Andere Entwicklungen, wie etwa die Ergebnisse der Tarifverhandlungen oder die Entwicklung der Energiepreise, waren es nicht“, so Kind. Das erzeuge für die Unternehmen Unsicherheit bei der Planung ihrer Budgets.
Tatsächlich gab es zuletzt in mehreren Branchen so hohe Tarifforderungen und Abschlüsse wie lange nicht mehr. So einigten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften der Chemie- und Pharmaindustrie für die Beschäftigten der Branche kürzlich auf eine Nettoentlastung von durchschnittlich 12,9 Prozent. In der Einstiegsentgeltgruppe sind sogar bis zu 15,6 Prozent mehr Geld drin.
Weitere Tarifabschlüsse etwa in der Metall- und Elektroindustrie und im öffentlichen Dienst stehen noch aus. Verdi und Beamtenbund haben mit 10,5 Prozent für die 2,5 Millionen Staatsdiener bei Bund und Kommunen die bislang höchste Forderung gestellt. Die Verhandlungen beginnen im Januar.
Mehr: Höchste Tarifforderungen seit Jahren: Droht nun die Lohn-Preis-Spirale?
Erstpublikation: 03.11.2022, 10:03 Uhr.
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