Premium Stadtwerke erhöhen Preise Strom und Gas zum Jahreswechsel bis zu 150 Prozent teurer

Deutschlands Stromkunden müssen in der Energiekrise mit dramatischen Preiserhöhungen rechnen.
Berlin Kurz vor dem Jahresende haben einige Haushalte noch unangenehme Nachrichten von ihren Energielieferanten erhalten: Pünktlich vor Ablauf der vorgeschriebenen Frist von sechs Wochen zum 31. Dezember kündigten viele Versorger eine Erhöhung ihrer Strom- und Gastarife ab Januar an. Und die haben es in sich.
Rheinenergie aus Köln erhöht den Strompreis um 77 Prozent – und das ist fast noch moderat. In Leipzig und München erhöhen sich die Grundversorgungstarife für Strom um fast 150 Prozent. In Leipzig kostet eine Kilowattstunde so demnächst 52,12 Cent, in München sogar ganze 61,89 Cent.
Die Aufschläge fallen auf so breiter Front dramatisch aus, dass das nach Ansicht einiger Experten nicht mehr mit den gestiegenen Beschaffungskosten für Strom und Gas zu rechtfertigen ist. Selbst aus der eigenen Branche wird Kritik laut: „Was wir gerade sehen, ist eine übermäßige Erhöhung der Grundversorgungstarife“, sagt Steffen Arta, Geschäftsführer der Stadtwerke Dreieich im hessischen Kreis Offenbach. Finanziert würden diese überteuerten Tarife am Ende mit Staatsgeldern, moniert der Manager. Die satten Preiserhöhungen kommen schließlich genau dann zum Tragen, wenn die Strom- und Gaspreisbremse in Kraft tritt.
Strompreise und Gaspreise: Enorme Unterschiede bei Stadtwerken
Aufgrund der massiv gestiegenen Preise für Strom und Gas will die Bundesregierung Haushalte und Unternehmen ab März 2023 mit der sogenannten Strom- und Gaspreisbremse unterstützen. Die Regelung sieht vor, dass Verbraucher demnächst nur noch 40 Cent je Kilowattstunde Strom und 12 Cent je Kilowattstunde Erdgas zahlen müssen. Das gilt für 80 Prozent des monatlichen Verbrauchs.
Die Differenz zwischen den gedeckelten 40 beziehungsweise 12 Cent und dem tatsächlichen Tarif wird dem Energieversorger vom Staat erstattet. Die Regelung soll rückwirkend ab Januar gelten.
In einer aktuellen Analyse haben sich die Verbraucherschützer die Grundversorgungstarife für Gas in Nordrhein-Westfalen genauer angeschaut. In dem bevölkerungsreichsten Bundesland sitzen immerhin 140 der insgesamt rund 800 deutschen Grundversorger. Das Ergebnis: Der Preisunterschied zwischen den einzelnen Anbietern ist enorm. So kostet der niedrigste Grundversorgertarif in NRW aktuell 5,98 Cent pro Kilowattstunde Gas, der höchste dagegen 28,08 Cent.
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Aus Sicht von Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW ist ein Preisunterschied von bis zu 22 Cent schlicht nicht mehr zu rechtfertigen. Die bereits angekündigten Erhöhungen für Januar sind da noch gar nicht mit eingerechnet. Das gelte für Gas genauso wie für Strom.
„Alles bis 45 Cent die Kilowattstunde Strom ist in meinen Augen plausibel. Aber da sind einige Stadtwerke ja schon deutlich drüber“, sagt auch Stadtwerke-Chef Arta. Der Versorger von Dreieich will seine Strompreise in der Grundversorgung ab Januar ebenfalls erhöhen: aber nur von 30 auf 37,5 Cent. Dank einer konservativen, über mehrere Jahre angelegten Beschaffungsstrategie sei dies möglich, erklärt Arta.
„Das Argument der Anbieter mit sehr hohen Grundversorgungspreisen ist, dass sie ihre Energiemengen sehr kurzfristig am Markt beschaffen mussten“, sagt der Stadtwerke-Chef. Diese Strategie müsse sich dann aber auch in der Vergangenheit schon gezeigt haben. Sprich: Als die Marktpreise niedrig waren, hätten die Grundversorgungspreise günstig sein müssen. „Hier war aber immer das Argument, dass man sich langfristig eindeckt und deswegen der Grundversorger nie der billigste Anbieter am Markt sein kann“, kritisiert Arta. Ähnlich sieht es auch Verbraucherschützerin Wallraf.
Verbraucherschützer warnen vor Mitnahmeeffekt beim Gaspreis
„Um die Versorgung weiterhin sicher und zuverlässig in Leipzig und Region gewährleisten zu können, müssen auch wir die Preissteigerungen an unsere Kunden weitergeben“, begründen die Stadtwerke Leipzig ihre Tariferhöhung um gut 108 Prozent.
Dass die Preise steigen, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Schließlich ist allein der Gaspreis im Großhandel im Vergleich zum Vorjahr um 166 Prozent gestiegen. Aktuell kostet eine Megawattstunde (MWh) Erdgas an der niederländischen TTF-Börse um die 120 Euro. Vor einem Jahr waren es noch knapp 45 Euro die MWh. Beim Strom sieht es ähnlich aus. „Viele Lieferverträge laufen jetzt nach und nach aus, da ist die Nachbeschaffung natürlich teurer als noch vor zwei Jahren“, heißt es zur Verteidigung aus der Energiebranche.
Trotzdem sehen Verbraucherschützer die Gefahr von Mitnahmeeffekten: „Der ein oder andere Anbieter sieht jetzt eine gute Möglichkeit, die Preise zu erhöhen, ohne dass ihm die Kunden weglaufen, weil er den vollen Preis ja ohnehin für 80 Prozent erstattet bekommt“, warnt Wallraf. So etwas ließe sich aber nur durch eine langfristige Beobachtung der Preise nachweisen. Das wäre dann Aufgabe der Kartellämter. Ob die das in diesem Umfang bei der Menge an angekündigten Preiserhöhungen aber überhaupt leisten können, sei fraglich.
Strompreisbremse und Gaspreisbremse: Experten kritisieren Gesetzesentwürfe
Auch aus der Politik werden angesichts der massiven Preiserhöhungen bei Versorgern nun Warnungen laut. So fordert Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, es müsse verhindert werden, dass Anbieter ihre Tarife „präventiv auf den Preis des Deckels hochziehen“.
Der Gesetzentwurf zur Gaspreisbremse trägt diesen Überlegungen in Paragraf 28 Rechnung. Dort heißt es, Gaslieferanten sei es verboten, Preise in einem Umfang zu erhöhen, der sich nicht aus dem Marktgeschehen oder einem Anstieg der Beschaffungskosten ergebe. Der Gesetzentwurf zur Strompreisbremse enthält die entsprechenden Regelungen in Paragraf 39.
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Fachleute kritisieren die Bestimmungen. Die Bundesregierung müsse aufpassen, dass sie nicht bleibende Schäden an einer wettbewerbsorientierten Preisgestaltung verursache zugunsten einer kurzfristigen, politisch gewollten Preiskontrolle. „Das schafft dauerhaft mehr Probleme als kurzfristig gelöst werden können“, sagt Rechtsanwältin Jana Michaelis von der Kanzlei Rosin Büdenbender.
Strompreise und Gaspreise: Preisspanne bei Stadtwerken wirft Fragen auf
Die Bundesregierung wolle Vorkehrungen dafür treffen, „dass die von ihr geplanten Schutzmaßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepreise kein Einfallstor für Gewinnmitnahmen bei den Energieversorgern werden“. Hierzu habe sie „sehr unklare Verschärfungen des Kartellrechts“ vorgeschlagen, die aufgrund einer Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen nicht zu mehr Klarheit, sondern zu mehr Unsicherheit führten, sagt Michaelis.
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Verbraucherschützer sehen allerdings Handlungsbedarf, weil sie die Preisgestaltung mitunter für fragwürdig halten. „Im Moment gibt es unter den Grundversorgern eine so große Preisspanne, wie wir sie noch nie gesehen haben“, sagt Verbraucherschützerin Wallraf. Es herrschten teilweise Preise, die man sich nicht erklären könne – „das wirft Fragen auf“.
Laut dem Vergleichsportal Check24 haben insgesamt 417 Grundversorger Erhöhungen bei ihren Stromtarifen ab dem 1. Januar 2023 angekündigt. Bei den Gasgrundversorgern sind es 262. Betroffen sind mehrere Millionen Haushalte in ganz Deutschland.
Noch gehören Stadtwerke inmitten der Energiekrise oft zu den günstigsten Anbietern auf dem Markt. Aber die Zahl der Grundversorger, bei denen sich ein Wechsel doch lohnen könnte, nimmt zu.
Mehr: Gaspreisbremse und Strompreisbremse sollen rückwirkend ab Januar gelten
Erstpublikation: 24.11.2022, 04:00 Uhr.
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Interessant, mein Stromanbieter (Bürgerwerke eG) hat für 01.01.2023 eine Strompreissenkung von etwa 9% angekündigt (Arbeitspreis).
Damit zahle ich ab Januar weniger für Strom als bei meinen Stadtwerken (ohne Berücksichtigung der Strompreisbremse).
Dass die Stadtwerke den Braten gerochen haben und den Gas- und Strompreis präventiv auf den Preis des Deckels hochziehen, war ja abzusehen. Der Staat subventioneirt bis zu dieser und dieser Grenze - also werden die Preise auf das maximale Niveau angehoben.
Den Gasverbrauchern kann es ja egal sein. Zahlt eh fast alles der Staat. Und zwar aus dem "Sondervermögen", das eigentlich Sonderschulden heißen müsste und in einen Schattenhaushalt verbucht wird. Und diesen Etikettenschwindel der Herrn Scholz und Habeck macht ein FDP-Finanzminister mit. Erstaunlich! Kann der Herr Lindner noch in den Spiegel schauen?
So etwas passiert, wenn Ideologen und arrogante Besserwisser regieren.
DIE AFD BEDANKT SICH!
Hier muss die Übergewinnsteuer ansetzen - die Stadtwerke ziehen die Kunden übern Tisch! Solche Tariferhöhungen sind reine Mitnahmeeffekte. Die Stadtwerke nutzen ihre Chance bedingt durch die unsägliche Gas- und Stompreisbremse, um sich zu sanieren. Das hätte alles verhindert und viel einfacher gehen können, wenn der Staat einfach auf seinen Wust an Abgaben und nicht nachvollziehbaren Entgelten bei Gas und Strom (vorübergehend; z.B. für 3 Jahre) verzichten und auch nur noch die 7% MwSt auf den reinen Vertriebspreis anwenden würde. Der Staat ist immer noch der größte Profiteur von den stark gestiegenen Strom- und Gaspreisen.