Premium Immobilien So tief sinkt die Nachfrage am Immobilienmarkt im Ausland

Ein Haus steht in North Andover (USA) zum Verkauf. Der Höhenflug des Immobilienmarktes in den USA hat vorerst ein Ende gefunden.
New York, London, Frankfurt, Stockholm Weltweit dreht sich an den Immobilienmärkten die Stimmung: Für viele Menschen ist der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung nicht mehr finanzierbar – die Nachfrage sinkt im Zuge steigender Finanzierungskosten und Wirtschaftsrisiken deutlich.
Nach dem am Dienstag vorgelegten Hauspreisindex des Finanzierungsmarktplatzes Europace sind infolgedessen auch im September die Preise für Eigentumswohnungen und bestehende Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland gesunken. Seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite hierzulande mehr als vervierfacht.
Doch nicht nur in der Bundesrepublik hat die Immobilienwirtschaft, die lange Jahre nur Wachstum kannte, inzwischen zu kämpfen. Auch in anderen Ländern Europas und den USA hat sich der Markt gedreht. Die Korrespondenten des Handelsblatts geben einen Überblick über die ausländischen Immobilienmärkte.
USA: Nachfrage nach Immobilien kühlt deutlich ab
In den Vereinigten Staaten ist der Zinsschock schon längst auf dem Immobilienmarkt angekommen. Bereits im August verzeichnete die Branche den ersten landesweiten Rückgang seit 2012: So sanken die Preise für Wohnimmobilien in dem Monat um 2,6 Prozent, es wurden elf Prozent weniger Häuser verkauft.
Anfang November hob die Federal Reserve (Fed) den Leitzins auf die Spanne von 3,75 bis vier Prozent und signalisierte weitere Schritte. Die Lage auf dem Immobilienmarkt dürfte sich also weiter zuspitzen.
Das Besondere am US-Immobilienmarkt: Auch nach der Finanzkrise, die vor 14 Jahren vor allem durch den US-Häusermarkt ausgelöst wurde, finanzieren Banken in den USA den Immobilienkäufern schon längst wieder 80 bis 90 Prozent ihres Eigenheims. Bei so einer hohen Finanzierungsquote schlagen höhere Zinsen also stark zu Buche.
Zwar rechnen Marktbeobachter diesmal nicht mit einem Kollaps wie in der Finanzkrise – zwischen 2006 und 2012 fielen die Immobilienpreise um 27 Prozent. In einzelnen Märkten sind die Preise aber bereits stark gesunken. Dazu gehört etwa San Francisco, wo Wohnimmobilien zuletzt innerhalb von zwei Monaten um mehr als acht Prozent gefallen sind.
Edoardo Campanella, Ökonom der Großbank Unicredit, geht davon aus, dass die Anpassung des Immobilienmarkts voraussichtlich geordnet vonstattengehen wird. Anders als 2007 seien die Privathaushalte derzeit weniger verschuldet. Sie sollten daher mit den höheren Finanzierungskosten zurechtkommen, argumentiert er.
Eine weitere Besonderheit am US-Markt ist, dass dort in den vergangenen zwei Jahren jedoch verstärkt institutionelle Investoren wie Blackstone oder auch Maklerhäuser wie Redfin selbst in den lukrativen Markt mit Einfamilienhäusern eingestiegen sind.
Redfin-CEO Glenn Kelman warnte jüngst, dass diese ihr Portfolio schneller losschlagen als private Investoren, die oft versuchen, Preisrückgänge auszusitzen. Kelmans Maklerfirma sitze derzeit auf Häusern im Wert vom 350 Millionen Dollar. „Unsere Strategie heißt nicht Hoffnung. Wir haben sofort die Preise heruntergesetzt.“
Immobilienpreise fallen in Großbritannien deutlich
Als die Bank of England Anfang November die stärkste Leitzinserhöhung seit mehr als 30 Jahren verkündete, hatte Notenbankchef Andrew Bailey für die gebeutelten Hausbesitzer in Großbritannien einen überraschenden Trost bereit: Er erwarte, dass die Hypothekenzinsen trotz der restriktiven Geldpolitik nicht weiter steigen würden.
Des Rätsels Lösung: Die Finanzmärkte waren mit ihren Zinserwartungen den Plänen der Bank of England zu weit vorausgeeilt und hatten die Hypothekenzinsen auf ein Niveau getrieben, das nach Meinung der Notenbanker nicht mehr nötig ist, um die hohe Inflationsrate von zuletzt gut zehn Prozent wieder in den Griff zu bekommen.
Doch angesichts der politischen und marktbezogenen Turbulenzen, die den britischen Immobiliensektor erschüttert haben, fielen die Hauspreise im Oktober bereits so stark wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie. Der durchschnittliche Wert eines Hauses fiel um 0,9 Prozent auf 268.282 Pfund, also umgerechnet auf etwa 311.502 Euro, wie die Nationwide Building Society mitteilte. Dies war der stärkste Rückgang seit Juni 2020 und viel stärker als die 0,3 Prozent, die Ökonomen erwartet hatten.
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Der Ökonom Chris Rhode rechnet damit, dass die Hauspreise in Großbritannien im Zuge der bereits begonnenen Rezession im schlimmsten Fall um bis zu einem Drittel einbrechen könnten. Die britische Großbank Lloyds hält einen Rückgang von rund acht Prozent für wahrscheinlicher. Besonders London leidet unter dem Knick auf dem Immobilienmarkt.
Für die Hausbesitzer mit einer laufenden Hypothek ist der Abschwung auf dem Immobilienmarkt ein Doppelschlag: Die Kreditkosten sind nicht nur durch die Zinswende und das Regierungschaos seit Jahresbeginn deutlich gestiegen. Jetzt droht auch noch der Wert ihre Immobilien zu fallen.
Zwar haben inzwischen mehr als 85 Prozent der Hypothekennehmer Verträge mit einem festen Zinssatz. Doch sind die Laufzeiten oft kürzer als in Deutschland, und viele Verträge müssen zu höheren Kosten in den nächsten zwölf Monaten refinanziert werden.
Schweden: Unternehmen und private Haushalte unter Druck
Seit Jahren hat er gewarnt, doch niemand wollte ihn hören: Der schwedische Zentralbankchef Stefan Ingves macht sich seit Langem große Sorgen wegen der Verschuldung der privaten Haushalte und der hohen Schuldenlast von Immobilienunternehmen.
Inzwischen ist er damit nicht mehr allein. Laut von der Nachrichtenagentur Bloomberg zusammengestellten Daten muss der Sektor im nächsten Jahr Schulden in Höhe von umgerechnet gut zehn Milliarden Euro zurückzahlen. Bis Ende 2026 hat er einen Refinanzierungsbedarf von etwa 42 Milliarden Euro.
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Um das finanziell stemmen zu können, kündigten in der vergangenen Woche die Immobiliengesellschaften Castellum und Corem den Verkauf von Objekten an. Außerdem werden sie die Umsetzung von geplanten Bauprojekten zunächst verschieben. Auch der Immobilienkonzern SBB kündigte jüngst den Verkauf von Objekten an, um die Schuldenlast zu verringern.
Dass die Unternehmen mit Finanzierungsengpässen zu kämpfen haben, ist vor allem auf einen Umstand zurückzuführen: Sie haben sich stark über variabel verzinste Anleihen und kurzfristige Fälligkeiten finanziert. In Zeiten von rekordverdächtig niedrigen Zinsen ging das jahrelang gut.
Doch nun sind die Zinsen rasant gestiegen, und die großen Konzerne sehen sich zum Verkauf von Immobilien gezwungen, um die Anleihen noch bedienen zu können. Tor Borg, Analyst bei Citymark Analys, meint: „Das Problem ist, dass viele Obligationen im nächsten Jahr zurückgezahlt werden müssen. Und es ist unsicher, wie die Unternehmen das finanzieren wollen.“ Borg fürchtet, dass die Finanzierungsprobleme noch eine ganze Zeit lang anhalten werden.
Zentralbankchef Ingves sieht aber ein noch größeres Problem: Er fürchtet, dass die anhaltende Schieflage der Immobilienkonzerne die finanzielle Stabilität des Landes gefährden könnte. Auch die schwedische Finanzaufsicht warnt vor einer Ausweitung der Immobilienkrise auf die Banken.
Denn sollten private Haushalte und Immobilienkonzerne ihre Kredite nicht mehr bedienen können, geraten auch die Banken in Not. Rund zwei Drittel aller Kredite sind in Schweden Immobilienkredite – deutlich mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Deutliche Rückgänge bei Immobilienpreisen in den Niederlanden
Angesichts der teureren Baufinanzierung geraten auch in den Niederlanden die Immobilienpreise unter Druck: So sanken im dritten Quartal die durchschnittlichen Hauspreise um 5,8 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Vierteljahr, wie der Verband der Immobilienmakler (NVM) vor wenigen Tagen mitteilte.
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Die Makler führen den Rückgang auf die steigenden Hypothekenzinsen zurück. Die durchschnittlichen Zinssätze für eine 20-jährige Hypothek ohne staatliche Garantien seien auf 4,3 Prozent gestiegen. Ende 2021 waren es noch etwa 1,4 Prozent.
Dem niederländischen Statistikamt zufolge verdoppelten sich die Immobilienpreise von 2013 bis 2021. Dafür sorgten der Mangel an Wohnungen und niedrige Zinssätze. Das Wohnungsangebot ist nach wie vor knapp. Die Verkaufspreise für bestehende Häuser lagen im dritten Quartal bei durchschnittlich 425.000 Euro und damit laut NVM noch um zwei Prozent höher als ein Jahr zuvor. „Doch der extrem aufgeheizte Markt der vergangenen anderthalb Jahre hat einen Wendepunkt erreicht“, sagte die NVM-Vorsitzende Lana Gerssen.
So fielen im dritten Quartal in einigen großen Städten und Regionen die Preise stärker als im Landesdurchschnitt: In Ijmond, Haarlem und Amsterdam sanken demnach die durchschnittlichen Immobilienpreise um acht bis neun Prozent.
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Erstpublikation: 16.11.22, 03:58 Uhr.
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