Gesundheit Lauterbach will elektronische Patientenakte radikal umbauen

Die elektronische Patientenakte soll die medizinische Versorgung verbessern.
Berlin Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die elektronische Patientenakte für die Prävention von Krankheiten und für die Forschung leichter zugänglich machen. „Die elektronische Patientenakte muss verbessert werden“, sagte Lauterbach auf seiner Israelreise in Tel Aviv. „Da lernen wir hier von den Gesundheitsorganisationen.“
Wichtige Funktionen seien mit der Akte, wie sie derzeit angelegt sei, nicht möglich. Dabei geht es beispielsweise darum, Risikopatienten – denen etwa Herzinfarkte oder Schlaganfälle drohen könnten – mit Künstlicher Intelligenz aus den Daten herauszufiltern und über den Arzt zu informieren.
Dies sei in Israel möglich, in Deutschland stünden aber technische Hürden im Wege. Als Beispiel nannte Lauterbach die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Informationen, die in der elektronischen Patientenakte abgelegt werden.
„Das bedeutet, dass wir die Daten dafür nicht verwerten können“, sagte Lauterbach auf seiner Israelreise weiter, die am Dienstag endete. Die Verschlüsselung ist insbesondere Datenschützern und Krankenkassen wichtig.
Die gesetzlichen Kassen müssen ihren Versicherten die elektronische Patientenakte seit 2021 anbieten. Derzeit sind die Funktionen noch sehr begrenzt, perspektivisch sollen darin aber Daten wie Röntgenbilder und Medikamentenpläne abgelegt werden.
Lauterbach will schnelle Entscheidung
Ab 2023 soll den Versicherten bereits ermöglicht werden, Patientendaten zu Forschungszwecken freizugeben. Derzeit arbeitet Lauterbachs Ministerium an einem sogenannten Opt-out-Verfahren. Dabei müssen Versicherte eigens widersprechen, wenn sie die elektronische Akte nicht erhalten wollen.
„Wir brauchen das System, wo man die Patientendaten nutzen kann, um die Versorgung zu verbessern, aber auch Forschung zu machen“, sagte Lauterbach in Israel. Bislang ist aber noch unklar, wie das Verfahren genau aussehen soll.
Damit aussagekräftige Forschung und Vorsorgemodelle durch Künstliche Intelligenz überhaupt möglich werden, muss der Pool an Daten möglichst groß und vollständig sein. Dafür wäre es aber nötig, Ärzte und andere Leistungserbringer zu verpflichten, die Daten ihrer Patienten in der Akte abzulegen – und diese Entscheidung nicht den Nutzern zu überlassen.
Das aber wirft datenschutzrechtliche Fragen auf. „Diese müssen schleunigst geklärt werden“, erklärte Andreas Strausfeld, Geschäftsführer des IT-Unternehmens Bitmarck, deren elektronische Patientenakte von mehr als 80 Krankenkassen genutzt wird.
Das Opt-out-Verfahren muss gesetzlich geregelt werden. Dafür befindet sich das Bundesgesundheitsministerium in Gesprächen mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten, den Krankenkassen und der halbstaatlichen Firma Gematik. Vergangene Woche leitete das Ministerium offiziell einen Strategieprozess für die Digitalisierung ein, der auch die elektronische Patientenakte umfasst.
Lauterbach ist dabei offenbar zu großen Umbauten bereit. Zwanzig Jahre sei die Patientenakte in Deutschland vernachlässigt worden, sagte Lauterbach in Tel Aviv im Gespräch mit israelischen Krankenkassenvertretern. In den vergangenen Jahren sei zwar viel passiert, allerdings reiche das nicht.
„Manche Entscheidungen waren keine guten Entscheidungen, da sie hundertprozentige Sicherheitsentscheidungen waren“, sagte Lauterbach. „Wir müssen möglicherweise sogar erwägen, die Fortschritte zurücknehmen.“ Deswegen lägen wichtige Entscheidungen vor ihm, „die sehr schnell getroffen“ werden müssten.
Mehr: Lauterbach im gelobten Corona-Land – Was Deutschland von Israel in der Pandemie lernen kann
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
- Nachtrag -
Selbstverständlich würde ich mich persönlich hier für das "Opt-out" entscheiden (ich kümmere mich ganz alleine um meine Gesundheit und keine "künstliche Intelligenz!!!) - aber wie sieht es mit Patienten aus, due das nicht selbständig entscheiden können? Z.B. die inmer zahlreicher werdenden dementen Patienten, die unter grsetzlicher Bezteuung stehen?? Wie kann der Betreuer entscheiden, ob dass der Patient möchte?? Ich möchte das nämlich (was mir hoffentlich verschont bleibt) auch als Dementer nicht!! Oder bei Kindern? Wenn die dann einmal erwachsen sind und das eben nicht möchten, dann ist es nämlich bereits zu spät!
Warum soll es ein Opt-Out ausschließlich für die gesamte Nutzung geben? Warum soll ich nicht entscheiden können, ob meine Daten für oben genannte Ideen (AI) zur Verfügung stehen sollen? Wer hat da eigentlich Interesse dran, mit AI einzelne Personen zu finden, die ggf. eine spezifische Krankheit haben? Die Personen? Dann lasst sie entscheiden.
"Analoge" Patientenakte: Wer unbefugt Zugang erhalten will, muss schon ziemlich viel kriminelle Energie mitbringen: in der Regel Einbruch in die Arztpraxis oder ins Krankenhausarchiv mit allem Drum und Dran.
Digitale Patientenakte: Wer unbefugt Zugang erhalten will, muss nur ein guter Hacker sein oder einen guten Hacker beschäftigen.
Mein Zahnarzt wollte "ganz modern" sein und hatte seine neue Praxis auf vollständig papierlosen Betrieb umgestellt. So weit, so gut: dann hat er sich aber einmal ein extrem bösartiges Virus eingefangen, das die Praxis einige Tage komplett lahmgelegt hat. Die Höhe des finanziellen Schadens weiß ich nicht.
Ich möchte jedenfalls, dass ausschließlich meine Ärzte und sonst absolut niemand, Zugang zu meinen sensiblen Krankheitsdaten bekommen kann.
Maßlos übertriebener Datenschutz tötet.