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Klimaneutralität Millionen Tonnen CO2 unter der Erde: Habeck öffnet die Tür zur Treibhausgas-Speicherung

Ohne die umstrittene CCS-Technologie ist die Klimaneutralität nach Überzeugung des Wirtschaftsministeriums nicht zu erreichen. Daher will das Ministerium den Weg für die CO2-Speicherung ebnen.
08.12.2022 - 13:04 Uhr 6 Kommentare
Im Haus des Wirtschaftsministers zeigt man sich offen für einen Ausbau der CCS-Technologie in Deutschland. Quelle: dpa
Robert Habeck

Im Haus des Wirtschaftsministers zeigt man sich offen für einen Ausbau der CCS-Technologie in Deutschland.

(Foto: dpa)

Berlin Die Bundesregierung will den Einsatz der umstrittenen Technik des unterirdischen Verpressens von CO2 beschleunigen und ausbauen, um die Klimaziele zu erreichen.

Schon ab 2030 müssten die Nutzung, Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) „im Megatonnen-Maßstab“ vor allem für die Industrie genutzt werden, heißt es im „Evaluierungsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz“ des Ministeriums, der dem Handelsblatt vorliegt. Zuerst hatte das digitale Medienhaus Table Media darüber berichtet.

Spätestens 2045 müssen dem Evaluierungsbericht zufolge jährlich Restemissionen in Höhe von 34 bis 73 Millionen Tonnen CO2 exportiert und gespeichert werden.

Der Regierungsbericht stützt sich auf fünf wissenschaftliche Studien. Diese sehen CCS etwa in den Branchen Zement, Glas, Kalk, Abfall und Chemie als notwendig an, um die gesetzlich festgelegte Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.

Konkret sollen Rechtsunsicherheiten bei der Genehmigung von CO2-Abscheideanlagen beseitigt und für die Planung von CO2-Pipelines das Energiewirtschaftsgesetz angepasst werden, heißt es in dem Bericht. Bereits Mitte 2023 soll zudem eine umfangreiche „Carbon Management Strategie“ der Regierung vorliegen.

In Deutschland wird die CCS-Technologie bisher nicht eingesetzt. CCS steht für „Carbon Capture and Storage“. Grund ist das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG), das 2012 in Kraft trat. Der Verabschiedung des Gesetzes war ein langer Streit vorausgegangen.

CCS spielt in Deutschland bisher keine Rolle

Das Gesetz beschränkt die Anwendung der Technologie auf kleine Projekte mit sehr geringen CO2-Volumina und enthält außerdem eine Opt-out-Klausel, die es jedem Bundesland ermöglicht, die Anwendung von CCS auszuschließen. Von der Länderklausel haben Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Gebrauch gemacht. Praktisch spielt die Technik in Deutschland daher keine Rolle.

Allerdings ist CCS nach Einschätzung von Wissenschaftlern unverzichtbar. „Klimaneutralität lässt sich ohne CCS nicht erreichen. Die Ampelkoalition ist daher gut beraten, die rechtlichen Voraussetzung zu schaffen, um die CCS-Technologie auch in Deutschland zu ermöglichen“, sagte Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) dem Handelsblatt. Er befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema.

Die jetzige gesetzliche Regelung sei „völlig unzulänglich“. Sie diene eher dem Zweck, die Technologie zu verhindern.

Einige Hürden ließen sich nach Überzeugung Gedens rasch beseitigen. „Heute darf man CO2 nicht über die Landesgrenzen bringen, um es andernorts, etwa in Norwegen, unter dem Meeresboden zu speichern“, sagt Geden. Um dies zu ändern, müsste man „nur den entsprechenden Zusatz zum Londoner Protokoll ratifizieren“.

Das Londoner Protokoll ist ein weltweites Übereinkommen für den Schutz der Meeresumwelt. Nach Artikel 6 ist es den Vertragsparteien nicht erlaubt, Abfälle oder andere Stoffe zur Deponierung oder Verbrennung auf See zu exportieren.

>> Lesen Sie auch: Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre spricht im Interview über Norwegens CCS-Ambitionen

Norwegen spielt in der Debatte um CCS eine zentrale Rolle. Das Land gehört zu den Vorreitern der Technik. Bereits seit 1996 wird sie dort eingesetzt. Das Land ist im Moment dabei, eine CCS-Infrastruktur aufzubauen, die Unternehmen aus ganz Europa offenstehen soll.

Norwegen ist internationaler Vorreiter in Sachen CO2-Speicherung – doch internationale Abkommen verhindern bis jetzt den Zugang für Unternehmen. Quelle: Klaus Stratmann, Handelsblatt
CCS-Anlage in Norwegen

Norwegen ist internationaler Vorreiter in Sachen CO2-Speicherung – doch internationale Abkommen verhindern bis jetzt den Zugang für Unternehmen.

(Foto: Klaus Stratmann, Handelsblatt)

Auch deutsche Unternehmen signalisieren Interesse an der CO2-Speicherung in Norwegen. Ohne die Änderung des Londoner Protokolls ist dies aber derzeit nicht möglich.

Koalitionsparteien signalisieren bereits Zustimmung

Habeck erhält für seine Initiative Rückendeckung vom Koalitionspartner FDP. „Eine sichere und klimaschonende Energieversorgung können wir nur mit negativen Emissionen und Speicherung von CO2 erreichen“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. Er freue sich, dass das Thema nun auf der Agenda stehe. „Wir unterstützen Robert Habeck bei einer zügigen Umsetzung“, sagte Kruse.

Allerdings hat die Unterstützung durch die FDP einen Haken: Kruse will die CO2-Speicherung auch bei Kraftwerken einsetzen, die mit Kohle oder Gas betrieben werden: Man könne dank CCS „die zur Stabilisierung von Stromnetzen in der Energiewende weiterhin notwendigen konventionellen Kraftwerke einsetzen, ohne dass diese das Klima schädigen“, sagte Kruse.

Die FDP würde gern auch fossile Emissionen unter der Erde speichern – doch da machen die Grünen nicht mit. Quelle: Getty Images; Per-Anders Pettersson
Kohlekraftwerke und Windräder

Die FDP würde gern auch fossile Emissionen unter der Erde speichern – doch da machen die Grünen nicht mit.

(Foto: Getty Images; Per-Anders Pettersson)

Das dürfte bei den Grünen auf Ablehnung stoßen. Sie wollen den Einsatz der CCS-Technologie auf nicht vermeidbare Industrie-Emissionen beschränken – und nicht, um fossilen Kraftwerken längere Laufzeiten zu ermöglichen.  

Das Umweltbundesamt beziffert die Menge der nicht vermeidbaren Emissionen aus der Industrie sowie der Abfall- und Abwasserwirtschaft in Deutschland auf jährlich 43 Millionen Tonnen. Der Wert liegt damit innerhalb der Spannbreite, die auch das Ministerium in seinem Bericht annimmt. Insgesamt wurden 2020 in Deutschland 739 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt.

Negativemissionen stehen auch im Koalitionsvertrag

Habeck folgt mit dem Bericht der Linie der Ampelkoalition. Die Koalitionäre haben zwar vermieden, den Begriff „CCS“ im Koalitionsvertrag zu verwenden. Gleichwohl heißt es darin: „Wir bekennen uns zur Notwendigkeit auch von technischen Negativemissionen und werden eine Langfriststrategie zum Umgang mit den etwa fünf Prozent unvermeidbaren Restemissionen erarbeiten.“

Bei den Grünen ist CCS umstritten. Allerdings war Grünen-Chefin Ricarda Lang im August in Norwegen zu Besuch, wo sie sich zwei Tage lang ausschließlich mit dem Thema CCS befasste. Das wurde als Signal der Offenheit gewertet.

Mehr: Habeck hilft der Industrie mit Milliarden bei der Transformation

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6 Kommentare zu "Klimaneutralität: Millionen Tonnen CO2 unter der Erde: Habeck öffnet die Tür zur Treibhausgas-Speicherung"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Das ist atemberaubend dreist, wie jetzt mit dem Klimaschutzargument eine weitere unvorstellbar verantwortungslose wie maßlos überteuerte Technik durch die Hintertür eingeführt werden soll. Hier geht es nicht nur darum, wie beim Atommüll ein sicheres Endlager für "nur" ein paar Millionen (!) Jahre zu finden, sondern für die Ewigkeit. Und das unter dem Nordseeboden, der durch zigtausende Bohrungen nach Gas und Öl wie ein Sieb durchlöchert ist.
    Die Zementproduktion wird dabei als vermeintliches Sachargument vorgeschoben. Tatsächlich geht es um die CO2-Abscheidung der neu geplanten Gaskraftwerke. Diese sollen mit derselben Leistung wie Wind- und Solarparks zugebaut werden, um eine "sichere Energieversorgung" zu gewährleisten. Und da über den regulären Strombedarf hinaus zukünftig auch mit Strom geheizt, gefahren und produziert werden soll und der Import von regenerativem Strom und Wasserstoff auf Jahrzehnte weder greifbar noch sicher noch absehbar bezahlbar ist und der Ausbau der Regenerativen weder in Deutschland noch der EU in dem erforderlichen Umfang geplant und mit den heutigen Ansätzen auch nicht erreichbar ist, werden neue Gaskraftwerke in sehr großer Zahl benötigt, die statt mit billigem russischen Gas jetzt mit teurem LNG gefüttert werden sollen. So erklären sich die enormen Überkapazitäten der bis zu 12 neu geplanten LNG-Terminals und die langfristig anvisierten LNG-Lieferverträge. Und da Gaskraftwerke rund 50% des verbrannten Gases als Abwärme verschwenden und gigantische Strommengen für das Heizen, Fahren und Produzieren mit Strom benötigt werden, alles bezahlt über dauerhaft extrem hohe Stromkosten der Verbraucher, worauf die "Experten" wie u.a. die "Wirtschaftsweisen" und die "Wissenschaftler" der von der Regierung und den Energiekonzernen bezahlten "Forschungsinstitute" diese laufend vorbereiten, fallen bei dieser Art von "Klimaschutz" auch gigantische Mengen an CO2 an, die jetzt abgeschieden und verklappt werden "müssen". - Wer stoppt diesen Wahnsinn?

  • Wie in seinen Märchenbüchern
    Dann kam Onkel Habeck und rettet Deutschland
    (Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte bleiben Sie sachlich.)

  • Rein technisch ist vieles möglich; z. B. durch Fracking Erdgas aus dem Boden zu holen, oder auch CO2 in der Erde zu verpressen. Ob sich das dicht bevölkerte Deutschland dafür eignet, möchte ich bezweifeln. Es stellt sich auch die Frage, ob das verpresste CO2 für immer im Boden bleibt. Man sollte hier schon auch Maßstäbe ansetzen, wie bei den radioaktiven Abfällen – da hat man auch noch kein Endlager gefunden. Wenn es um das Verpressen geht, sollte auch die Frage gestellt werden, was das kostet und wer das bezahlt. Wenn wir eines Tages keine Industrie mehr haben, hat sich das Thema für uns ohnehin erledigt.

  • Tja kaum ist man ein Jahr in der Regierungsverantwortung, schon holt einen die Realität ein. Das hätte man schon vor 14 Jahren machen können. Aber es lebe die Ideologie und so müssen wir jetzt bei Volllast unserer Braunkohlekraftwerke C02 in die Luft pusten. Tja und wieder sterben unsere Grünen eine ideologischen Tod, nach Pazifismus und wir können mit erneuerbaren Energien unsere Volkswirtschaft komplett betreiben. Ach ja Wasserstoff wollten die Grünen ja auch nicht. Na ja schau ma mal wie es mit der Atomkraft im März ausschaut.


  • Allein die chinesischen Zementwerke haben 2021 um 80 Prozent mehr CO2 produziert als ganz Deutschland insgesamt. (1.230 Millionen Tonnen)

  • Das Übliche: Die Grünen wie auch die SPD blockieren aus ideologischen Gründen und müssen dann einsehen, dass die anderen Recht hatten. Die jahrelange Verzögerung- geschenkt. Die Einsicht, dass die Klimaziele zu hoch gesteckt und damit unrealistisch sind, kehrt langsam ein. Mal sehen, ob in Sachen Kernkraft auch die Einsicht kommt oder weiterhin die Ideologie siegt.

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